Die Welt braucht ein neues Ernährungssystem

Rund ein Drittel der Weltbevölkerung leidet unter Hunger oder Mangelernährung. Mitschuld sind akute Krisen und Konflikte, hauptverantwortlich sind jedoch globale Ungleichheit, Armut und die Machtkonzentration von Agrarkonzernen, die primär auf Profit aus sind. Damit alle Menschen auf der Welt die Chance auf ein würdiges Leben haben, braucht es eine Systemveränderung bei der Produktion und der Verteilung von Nahrungsmitteln.

Text: Ralf Kaminski, Claudia Fuhrer

Alle 13 Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an den Folgen von Hunger. Laut Schätzungen der Uno werden jedes Jahr rund zwei Millionen Kinder wegen Mangel- und Unterernährung nicht älter als fünf Jahre. Weitere 148 Millionen leiden unter körperlichen und geistigen Entwicklungsverzögerungen.

Aber auch die Erwachsenen leiden. Weltweit hungerten im Jahr 2023 rund 733 Millionen Menschen; 2,8 Milliarden – also jeder dritte Mensch auf dieser Welt – konnten sich 2022 keine gesunde Ernährung leisten. Dies sind die neuesten Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno (FAO), die im Sommer 2024 publiziert wurden. Trotz der Absichtserklärung sämtlicher Staaten der Vereinten Nationen, den Hunger bis 2030 zu besiegen, hat die Zahl der Unterernährten sogar noch zugenommen.

Ungleichheit und Profitgier

Mehr als die Hälfte der Hungernden lebt in Regionen mit bewaffneten Konflikten oder Kriegen, so dass sie ihre Felder nicht mehr bewirtschaften können. Hinzu kommen die Folgen der Klimaerwärmung, gestiegene Lebensmittelpreise und die Corona-Krise. Doch die eigentlichen Ursachen liegen tiefer: Hunger ist eine Folge von globaler Ungleichheit, Armut, Diskriminierung und der zunehmenden Machtkonzentration von Agrarkonzernen. So formulierte es der Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Michael Fakhri, in einem Bericht Ende 2022.

Denn eigentlich werden weltweit genügend Nahrungsmittel produziert, um alle Menschen dieser Erde ausreichend und gesund zu ernähren. Hunger ist also kein Produktions-, sondern ein Verteilproblem. Dieses hängt mit der globalen industriellen Landwirtschaft zusammen, die auf Profitmaximierung ausgerichtet ist.

Diese Art Produktion ist mit Dünger, Pestiziden, Monokulturen, Hightech-Saatgut und Intensivbewässerung verbunden; sie laugt die Böden aus, führt zu Wasserknappheit, Landraub, Biodiversitätsverlust – und drängt die bäuerlichen Kleinproduzent:innen aus dem Markt. Zudem wird weltweit über ein Drittel der pflanzlichen Kalorien aus dem industriellen Getreideanbau (vor allem Soja, Mais) als Tierfutter gebraucht, hinzu kommen Ernteverluste, Agrotreibstoffe und Nahrungsmittelverschwendung.

Hunger frisst Zukunft

Aus all diesen Gründen sind viele Menschen im Globalen Süden gezwungen, sich einseitig nur von Weizen, Reis, Mais oder hochverarbeitetem billigen Fast Food zu ernähren. Dadurch fehlen ihnen überlebenswichtige Nährstoffe wie Vitamine, Proteine, Eisen, Jod und Zink – mit verheerenden Folgen für ihre Gesundheit.

Unter- und mangelernährte Menschen sind anfälliger für Krankheiten und vielfach zu geschwächt, um zu arbeiten. Unzureichend ernährte Kinder sind in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung oft irreversibel beeinträchtigt und können dem Unterricht kaum folgen. Hunger zerstört damit nicht nur die Zukunft einzelner Menschen, sondern diejenige von ganzen Generationen.

Die Alternative: agrarökologische Landwirtschaft

Wie also lässt sich diese Situation verbessern? Humanitäre Hilfe in akuten Hungersituationen ist sinnvoll und nötig, doch diese kurzfristige Unterstützung von Krise zu Krise löst die
Ursachen des chronischen Hungers nicht. Stattdessen braucht die Welt ein Umdenken, hin zu einem neuen Landwirtschafts- und Ernährungssystem – eines, das nicht vom Profit einzelner Konzerne angetrieben wird, sondern auf das Recht der Menschen auf genügend ausgewogene und kulturell angepasste Nahrung fokussiert und die lokale Wirtschaft und Bevölkerung stärkt.